Zurück im Blauen Haus

Südkorea wählte erstmals eine – stramm konservative – Frau ins Präsidentenamt

Von Lee Yu Kyung

Mit 51,6 Prozent der Stimmen wurde die 60-jährige Park Geun Hye am Mittwoch zur Präsidentin der Republik (Süd-)Korea gewählt. Die Tochter des einstigen Diktators Park Chung Hee (1961-1979) kehrt ins Blaue Haus, den Präsidentensitz, zurück.

Tearsheet of the article published by Neues Deutschland on December 21

Tearsheet of the article published by Neues Deutschland on December 21

Bei den Siegesfeiern der Sympathisanten Park Geun Hyes im Zentrum Seouls tauchte auch ein Bild Park Chung Hees auf. Vielen, die sich der totalitären Herrschaft des Vaters der frisch gewählten Präsidentin noch erinnern, musste das wie eine Drohung erscheinen.

Andererseits war es gerade diese Generation, die in offensichtlich nostalgischer Verklärung des  damaligen rapiden Wirtschaftswachstums in der Mehrheit für Tochter Park stimmte. Die  Wahlbeteiligung – im Durchschnitt bei 75,8 Prozent – war am höchsten unter den 50- und 60-Jährigen.

In diesen beiden Altersgruppen lag sie bei 89,9 und 78,8 Prozent, wovon 62,5 bzw. 72,3 Prozent für Park stimmten. Dagegen nahmen nur 65,2 Prozent der 20-Jährigen und 72,5 Prozent der 30-Jährigen an der Wahl teil. Die Annahme, dass eine hohe Wahlbeteiligung dem liberalen Kandidaten Moon Jae In (48 Prozent der Stimmen) zugutekommen würde, hat sich in der alternden Gesellschaft  demnachdemnach als falsch erwiesen, sie nützte vielmehr den Konservativen.

Die 60-jährige gewählte Präsidentin kehrt also ins Blaue Haus zurück, wo sie schon einen Teil ihrer Kindheit verbracht und seit 1974 faktisch als First Lady fungiert hatte. Vor 34 Jahren, nach der Ermordung ihres Vaters bei einem Bankett in seiner Residenz, hatte sie es verlassen.

Nach der Demokratisierung in den vergangenen Jahrzehnten hat Südkorea damit das autoritäre Erbegewählt. Zwar spricht Park mit sanfterer Stimme, sie hat sich sogar für Menschenrechtsverletzungen zu Zeiten ihres Vaters entschuldigt, doch gilt sie als extrem eigensinnig und stur. Yoon Yeo Joon, der als Politiker für verschiedene conservative Regimes tätig war, dismal aber den liberalen Kandidaten unterstützte, wusste zu berichten: »Niemand kann ihre Beschlüsse in Frage stellen.«

Bisher war Südkorea – anders als seine Nachbarstaaten – nahezufrei von »Familienpolitik«. Cho Hee Yeon, Professor an der Seouler Sungkonghoe-Universität, schrieb:

»Eine Art neo-oligarchischer Demokratie, in der das Erbgut eines früheren Autoritarismus wiederzum Vorschein kommt, lässt sich in vielen asiatischen Staaten beobachten. Südkorea war davon bisherrelativ frei, weshalb ich in diesem Fall von einer ›post-oligarchischen Demokratie‹ spreche. Einesihrer Merkmale ist, dass noch niemand in zweiter Generation an dieMacht gekommen ist.« Das aber ist nun Vergangenheit. Die Opposition – liberale wie linke – ist enttäuscht und erschüttert. Sie steht nun vor der gewaltigen Herausforderung, ihre Parteien neu zu formieren – oder die politische Arena zu verlassen. Die Unfähigkeit der liberalen Vereinigten Demokratischen Partei (DUP) ist offensichtlich geworden. Ihr Kandidat hat die Wahl verloren, obwohl sich andere Oppositionsbewerberu seinen Gunsten zurückgezogen hatten.

»Unglücklicherweise gibt es kaumjemanden, der diese Krise meisternkönnte«, so ein einheimischer Kommentator. Noch schlimmer ist die Lage der Linken. Linkskandidat Kim So Yeon erhielt nicht einmal Prozent der Stimmen.

Da nun sowohl Südkorea als auch Japan von Rechten regiert werden, drohen die Spannungen in der Region zuzunehmen. Zwar deutete Frau Park im Wahlkampfan, dass sie den Gesprächsboykott, den ihr Vorgänger Lee Myung Bak über Nordkorea verhängt hatte, beenden wolle, doch könnte es im Gegenzug – und im Verein mit dem »großen Bruder« USA – zu einer konfrontativen Entwicklung im Verhältnis zu China kommen. Bleibt die Tatsache, dass erstmals eine Frau das höchste politische Amtübernimmt. Das muss freilich nicht heißen, dass in Seoul künftig eine Politik der Geschlechtergleichheit betrieben wird. Wenig Zweifel besteht aber wohl daran, dass die Demokratie einen Rückschlagerleidet.

Veröffentlicht in Neues Deutschland hier

One response to “Zurück im Blauen Haus

  1. Pingback: Back to the Presidential ‘Palace’ | Another WORD is Possible·

Leave a Reply

Fill in your details below or click an icon to log in:

WordPress.com Logo

You are commenting using your WordPress.com account. Log Out /  Change )

Twitter picture

You are commenting using your Twitter account. Log Out /  Change )

Facebook photo

You are commenting using your Facebook account. Log Out /  Change )

Connecting to %s